Klick. Wenn die rund 2.000 Mitarbeitenden bei Mohn Media ihren Arbeitstag beginnen, ist Strom für sie meist nicht mehr als ein kleiner „Klick“ und schon geht das Licht an, fährt der PC hoch oder brüht die Kaffeemaschine das erste Heißgetränk. Auch die riesigen Druckmaschinen laufen wie selbstverständlich auf Knopfdruck. Für Ralf Niediek und Burkhard Niehaus ist Strom viel mehr. Sie wandeln im Mohn-Media-eigenen Kraftwerk jeden Tag Erdgas in Strom und Wärmeenergie um – oder in eisige Kälte. Denn für die Druckmaschinen kann es nie kalt genug sein.
Ralf Niediek kräuselt die Stirn. Wenn der Geschäftsführer von Mohn Media Energy im Maschinenraum steht, vergisst er alles um sich herum. Das Wummern der Motoren kann er dank seines Gehörschutzes nur durch die Vibration in seinem Brustkorb wahrnehmen. Der 16-Zylinder-Gasmotor mit 70 Litern Hubraum gehört zu den jüngsten Anschaffungen im Energiezentrum. Er soll noch effizienter Strom erzeugen als die älteren Gasturbinen im Werk nebenan. Langsam legen sich die Falten auf seiner Stirn, er schaut zufrieden seinen Kollegen Burkhard Niehaus an und nickt. Die Maschine läuft rund.
Wenn bei Mohn Media ein neuer Arbeitstag beginnt, gehen die beiden vorbei an den Kollegen aus der Verwaltung oder der Druckerei. Weit hinten, mitten auf dem Gelände des Gütersloher Betriebes liegt ihr Arbeitsplatz: das unternehmenseigene Kraftwerk. Vier riesige Schornsteine ragen dort in den Himmel, Rohre verlaufen über den Platz und verbinden die drei Gebäudeteile des Kraftwerks miteinander sowie das Kraftwerk mit den Produktionsgebäuden. Von der Hauptstraße aus ist die Anlage kaum zu erkennen. Die imposanten Hallen der Druckerei verdecken den freien Blick auf sie. Und wenn sie doch jemand zwischen den Gebäuden aufblitzen sieht, kommt niemand auf die Idee, dass dies ein Kraftwerk sein könnte. Ralf Niediek und Burkhard Niehaus müssen oft schmunzeln, wenn sie hören, dass bei Mohn Media nur Bücher, Zeitschriften oder Prospekte gedruckt würden. Hier passiert so viel mehr. Hier wird effizient Energie in Form von Wärme, Kälte und Strom gewonnen.
Viel mehr als heiße Luft
Die Idee, selbst Strom, Wärme und Kälte zu produzieren, kam vor 25 Jahren auf. Damals waren die Energiepreise so hoch, dass es für das Unternehmen wirtschaftlicher war, sich selbst zu versorgen. Klimafreundlicher war der Bau einer eigenen Anlage obendrein und so wurde kurz nach der Entscheidung, ein eigenes Kraftwerk zu bauen, auch schon der erste Grundstein gelegt. Wobei man eigentlich nicht von einem Kraftwerk im klassischen Sinne sprechen kann. Ralf Niediek weist gerne darauf hin, dass es sich bei dem eigenen Energiezentrum um eine Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage handelt – oder wie er und seine Kollegen sagen: die KWK-K-Anlage. Obwohl die offizielle Bezeichnung sperrig ist, beschreibt sie doch genau, was in den Gebäuden hinter den Druckhallen passiert. Das eigene Kraftwerk setzt als Primärenergie Erdgas ein und verwendet gleichzeitig die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme. Dadurch nutzt das Unternehmen die eingesetzte Primärenergie viel effizienter. Mit einer Gas- und Dampfturbinenanlage, dem Herzstück der KWK-K, wandelt das Unternehmen die bei der Verbrennung von Erdgas entstehende Wärmeenergie um und gewinnt so nicht nur Strom, Heiz-, Prozess- und Fernwärme, sondern auch Absorptionskälte, die zur Klimatisierung der Gebäude und zur Kühlung der Druckmaschinen genutzt wird. Das ist wichtig, denn die riesigen Maschinen benötigen bei hohen Druckgeschwindigkeiten Kühlung – ansonsten fallen sie aus.
Wir sichern mit der KWK-K den reibungslosen Produktionsablauf, indem wir zur Kühlung der Druckmaschinen Wärme in Kälte umwandeln.
Aus die Maus!
Damit es nicht zum Stillstand der Druckmaschinen und einem damit verbundenen, kostspieligen Schaden kommt, dreht Burkhard Niehaus jeden Tag seine Runden durch die Anlage. Der Leiter des Kraftwerks kontrolliert Zählerstände und berät sich mit den Kollegen im Kontrollzentrum. Sobald dort eine der vielen Leuchten aufblinkt und ein Piepen ertönt, begeben sich die Kollegen auf die Suche nach der Fehlerquelle. Schwere Ausfälle gibt es zum Glück nur selten, meist lässt sich jedes Problem innerhalb von 15 Minuten lösen. Um in solchen Fällen herauszufinden, wo der Knackpunkt liegt, schalten die Kollegen auch die Mitarbeiter der Elektroabteilung ein. Zusammen geht es schneller. So eine Störung kann mitunter auch tragisch sein, wie Burkhard Niehaus vor ein paar Monaten selbst erleben musste. An einem Samstag gegen neun Uhr morgens meldete die Anlage plötzlich ein Problem: „Stromausfall auf dem gesamten Gelände!!!“. In so einem Fall kommen die Kollegen auch an Heiligabend oder Ostern, um zusammen alle Anlagen und Produktionsmaschinen wieder betriebsbereit zu machen. Nachdem die Fehlerquelle lokalisiert worden war, stellte sich heraus: Eine Maus war über Stromschienen in einer 10.000-Volt-Anlage gelaufen und hatte für einen Kurzschluss gesorgt. Im wahrsten Sinne des Wortes mausetot lag das Tier vor den Füßen der Elektriker.
Es gibt keinen klassischen Arbeitstag für uns. Die Anlage gibt uns die Aufgaben des Tages vor.
Ein starkes Team
Die ständige Kontrolle der Turbinen und Kessel erfordert eine permanente Einsatzbereitschaft der Männer der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage. Es ist immer jemand da, auch an den Feiertagen. Über die Jahre ist das Team zusammengewachsen und zu einer kleinen Familie geworden. Heute kümmern sich im laufenden Betrieb etwa 7 Personen um das unternehmenseigene Kraftwerk. Die Leitung sowie die Abteilungen Energieabrechnung und -management werden von drei weiteren Mitarbeitern betreut. Wenn darüber hinaus Unterstützung erforderlich ist, stehen noch die Elektroabteilung und der Wartungsdienst zur Verfügung. Gibt es am Wochenende ein größeres Problem mit der Anlage, werden die Kollegen angerufen, ob sie zusätzlich spontan einspringen können. Innerhalb weniger Minuten ist dann auch schon jemand vor Ort und kümmert sich um die KWK-K. Sie halten als Team zusammen. Und das nicht nur für Mohn Media.
Die Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage erzeugt neben der Energie für das Gelände von Mohn Media, Sonopress, Corporate Center und Stiftung auch Fernwärme für in der Nachbarschaft gelegene Unternehmen wie z. B. Miele und Strom für die Stadt Gütersloh. Die Anlage stellt längst mehr Energie bereit als Mohn Media benötigt. Ralf Niediek nennt sie deshalb auch gerne ein „kleines Stadtwerk“. Für die Versorgung benachbarter Unternehmen hat Mohn Media die Fernwärmegesellschaft Gütersloh (FWGG) gegründet, ein Joint Venture mit den Stadtwerken Gütersloh. Im Jahr 2019 feiert das Gemeinschaftsunternehmen ebenfalls sein 25-jähriges Bestehen. Ein Zeitraum, in dem sich viel getan hat. Das weiß Ralf Niediek aus eigener Erfahrung. Bereits seit 1986 kümmert er sich bei Mohn Media um die Stromversorgung. Vieles ist in den letzten Jahren schneller und besser geworden, einiges ist heute aber auch komplexer und aufwendiger.
Genau im Blick
Seit der Grundsteinlegung des Kraftwerks wurden etliche Gesetze neu erlassen, geändert und wieder geändert. Um die eigene Arbeit den wachsenden Anforderungen der sich permanent verändernden Rahmenbedingungen anzupassen, musste das Team immer wieder Seminare und Schulungen besuchen. Über 1.500 Zähler sind mittlerweile auf dem gesamten Gelände verbaut, um die Energiemengen abzurechnen, aber auch um unnötige Energieverbräuche zu lokalisieren und abzustellen. Rund 52 Millionen Daten werden innerhalb eines Jahres erfasst. Jeden einzelnen Zähler kontrollieren Holger Martin und Stephan Glasker, wenn die nächste Stromsteuerbilanz ansteht. Im Sommer können ihre Rundgänge mitunter schweißtreibend sein: Bis zu 60°C Grad heiß kann die Anlage dann werden. Im obersten Stockwerk der drei Etagen hohen KWK-K-Anlage steht die Luft und die beiden Kollegen aus dem Energiemanagement müssen die Zähne zusammenbeißen. Zurück im klimatisierten Büro werten sie die Daten aus, dabei ist nicht nur Genauigkeit, sondern auch technisches Verständnis gefragt. Sowohl Ralf Niediek als auch Burkhard Niehaus vertrauen ihren beiden Kollegen, genauso wie dem restlichen Team. Denn egal, ob es eine Fehlermeldung im Kontrollzentrum gibt, die Wartung der Maschinen ansteht oder ein Abschlussbericht geschrieben werden muss – jeder der Kollegen weiß genau, was er tut. Das ist wichtig, damit nicht nur die Maschinen bei Mohn Media problemlos laufen, sondern auch, damit in der Hauptverwaltung oder bei Miele niemand frieren muss.
Das Energiemanagementsystem liefert uns eine Vielzahl von Daten, mit denen wir unsere Produktionsabteilungen und die Leistung der Anlage nachhaltig verbessern können.
Stromproduktion entspricht circa dem Verbrauch von 35.000 Haushalten
Senkung der CO2-Produktion durch die Kraft-Wärme-Kopplung im Vergleich zur herkömmlichen Stromerzeugung in Deutschland um rund 50%
Datensätze, die jährlich über die auf dem Betriebsgelände verbauten Zähler erhoben werden: 52 Mio.
Eingesparte Kilowattstunden bei der Drucklufterzeugung durch den Einsatz modernster Aggregate: 1,2 Mio.
Jahre, seitdem es das Kraftwerk und die Fernwärmegesellschaft (FWGG) gibt: 25
Wir reduzieren CO2-Emissionen und denken auch sonst bereits heute an morgen.